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Beitrag vom 07.04.2017
Judith Holofernes - Ich bin das Chaos
Lisa Baurmann
Die ehemalige "Wir sind Helden"-Frontfrau und Lyrikerin ("Du bellst vor dem falschen Baum") veröffentlicht ihr zweites Soloalbum. In ihrem unverwechselbaren Stil erklingen darauf ebenso heitere Uptempo-Stücke wie traurige Balladen voller Charme, Tiefe und Schönheit. AVIVA verlost 2 CDs
Still fängt das Album an, melancholisch. "Der letzte Optimist" bildet den Auftakt und hat, anders als der Titel verspricht, sich ganz seinem Schicksal ergeben. "Mit der Nase am Asphalt" bleibt er liegen. Im Video zur Single ist es Holofernes selbst, die fast reglos am Boden liegt. Das lässt schon ahnen, dass die bisher fast unermüdliche Optimistin auf "Ich bin das Chaos" nun andere Töne anschlägt. Und tatsächlich klingt das Album deutlich weniger nach Leichtigkeit und guter Laune als noch "Ein leichtes Schwert" von 2014. Die Künstlerin besinnt sich stattdessen aufs Seriöse, Tiefsinnige.
Mit "Der Krieg ist vorbei" und "Oh Henry" folgen noch weitere nachdenkliche Balladen. Das bedeutet nicht, dass "Ich bin das Chaos" ganz aus Trübsinn besteht. "Oder an die Freude" ist voller Zuversicht, "Charlotte Atlas" und "Analogpunk" sind voller Energie und Humor. Das lockert die Ernsthaftigkeit spielerisch auf. Das Wechselbad der Gefühle kündet gleichzeitig vom Chaos, das im Titelsong vielsagend lockt: "Bring ich nicht immer Geschenke mit?".
Liebe zu Lyrik und Detail
Doch es sind die nachdenklichen Stücke, die besonders tief in Holofernes´ Talent blicken lassen. Dort zeigt sie, dass sie mit ihrem Charme und geistreichen Witz auch ernste Themen besingen kann, ohne deren Tiefe und Schönheit zu schmälern. Die Texte sind dabei weder prätentiös, noch bedienen sie sich überbeanspruchten Floskeln und Klischees, selbst wenn es um Liebe und Herzschmerz geht. Es ist vor allem diese einmalige Lyrik, die die ehemalige Helden-Sängerin zur Ausnahmekünstlerin in der deutschsprachigen Musiklandschaft macht, und von der zuletzt ihr Gedichtband "Du bellst vor dem falschen Baum" zeugte.
Die Musik des Albums hat Holofernes zusammen mit befreundeten Künstlern geschrieben, allen voran mit dem faröischen Liedermacher Teitur. Vielschichtig arrangieren sie Bläser, Klavier, Gitarren und Streicher. Das verleiht dem Album einen insgesamt sehr organischen Klang, der stellenweise mit Percussion und Synthesizern aufgefrischt wird. Dabei drängen sich die Instrumente nie in den Vordergrund. So laufen sie stellenweise Gefahr, zur seichten Untermalung zu werden. Wer genau hinhört, entdeckt aber immer wieder schöne und liebevolle Details im Arrangement.
"Ein Einkaufszentrum in jedem Krater"
Musikalisches wie dichterisches Highlight auf "Ich bin das Chaos" ist "Der Krieg ist vorbei". Die Melodie ist getragen und wunderschön traurig, der Sound fast dramatisch. Der Text handelt von Trauma, Neuanfängen und Widersprüchen: "Ein Einkaufszentrum in jedem Krater | sagt in leuchtenden Neonlettern: Schau alles blüht | auch wenn die Asche noch glüht." Bei diesen Zeilen drängt sich der ganz konkrete Gedanke an die Millionen Menschen auf, die heute auf der Flucht vor Konflikten und Krieg sind, und in der Fremde versuchen, sich eine neue Existenz zu schaffen. Möglich, dass Holofernes, die seit Helden-Zeiten mit gesellschaftskritischen Texte Aufsehen erregt, ebenso den aktuellen Bezug vor Augen hatte. Doch der Text lässt verschiedene Interpretationen zu, auch abstrakt-philosophische. Das Subtile und Uneindeutige macht den Reiz des Liedes aus.
Do-it-Yourself-Künstlerin
Das Album ist auf Holofernes´ eigenem Label Därängdängdäng Records verlegt. Auf ihrem Blog schreibt sie über Texte, Musik und Konzeption, das Video zu "Ich bin das Chaos" hat sie alleine in ihrem Zimmer gefilmt.
Das Multitalent Judith Holofernes zeigt auf diese Weise, dass frau auch als Do-it-Yourself-Künstlerin erfolgreich sein und ausgereifte Popmusik erschaffen kann. Die Ergebnisse sind authentisch, unaufgeregt und allesamt mit unverwechselbarer persönlicher Note.
Mit "Ich bin das Chaos" ist sie noch bis Ende April auf Tour. In Berlin gab es, zur Freude vieler Fans, die für das Konzert im März keine Karten mehr bekommen haben, einen Extratermin am 23. April im Astra.
AVIVA-Tipp: Wenn das Album ein Gemälde wäre, so schreibt die Künstlerin auf ihrem Blog, wäre es "Dunkelbunt [...]. Und mit diesen Kühl-Warm-Hell-Dunkel-Kontrasten, die Farben so schön zum Leuchten bringen". Passender lässt sich das Gesamtwerk kaum beschreiben. "Ich bin das Chaos" ist, mit all seinen Gegensätzen, ein Lichtblick am Deutschpop-Horizont.
Judith Holofernes
Ich bin das Chaos
Label: Därängdängdäng Records / Embassy of Music
VÖ: 17.03.2017
www.embassyofmusic.de
Judith Holofernes im Netz:
www.judith-holofernes.de - Blog mit regelmäßigen Updates
www.judith-holofernes.de/lesungen-konzerte - Tourdaten
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